Vespa: Das Kultobjekt wird 75 Jahre alt (2024)

Was als preiswertes Transportmittel für die breite Bevölkerung begann, ist längst zum Kultobjekt geworden: Die Vespa wird heute 75 Jahre alt und hat nichts von ihrer Faszination verloren – im Gegenteil.

Hanspeter Küffer

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Mit Motorrädern oder gar Rollern hat Piaggio ursprünglich absolut nichts am Hut. Über ein halbes Jahrhundert produziert das 1884 gegründete Unternehmen Bahnwagen, Schiffe und insbesondere auch Flugzeuge, welche von der italienischen Armee in den beiden Weltkriegen eingesetzt werden. Nach der Niederlage verbieten die Siegermächte jegliche Produktion von Rüstungsgütern. Und weil das Werk in Pontedera, nahe Pisa, von der amerikanischen Luftwaffe komplett zerstört ist, steht Piaggio kurz vor dem Aus.

Doch der Firmeninhaber Enrico Piaggio gibt nicht so schnell auf. Ein preiswertes Fahrzeug, das sich selbst die arg gebeutelte italienische Arbeiterklasse leisten kann, soll dazu beitragen, Italien wieder mobil zu machen. 1946 beauftragt der innovative Geschäftsmann den ehemaligen Luftfahrtingenieur und Erfinder Corradino D’Ascanio, ein entsprechendes Fahrzeug zu entwickeln. Dem ersten Prototyp namens «Paperino» (Donald Duck) lässt D’Ascanio nach wenigen Wochen eine neue Version folgen, deren Aussehen Enrico Piaggio an eine Wespe (italienisch: Vespa) erinnert und welche damit zum Namengeber der Marke wird.

Die explosionsartige Entwicklung mit entsprechendem weltweitem Erfolg des Kultgefährts in den nachfolgenden Jahren können die beiden damals nicht erahnen. Benannt nach der Hubraumgrösse, ist die Vespa 98 als erstes Modell bereits als Standard und als Luxury-Version erhältlich.

Die Vespa erobert die Welt

Im ersten Produktionsjahr brummen 2484 Wespen aus ihrem «Nest» in Pontedera. Ein Jahr später sind es bereits über 15000 Stück. 1948 ersetzt ein neuer, 5 PS starker 125er-Motor den schwachbrüstigen 98-cm3-Zweitakter. Die Produktion steigt auf über 20000 Stück. Und mit der ersten Lizenzvergabe an die Hoffmann-Werke in Lintorf in Deutschland werden 1950 rund 60000 Einheiten und drei Jahre danach sogar 171200 Vespas hergestellt.

Ab diesem Zeitpunkt schwärmen die Wespen um die ganze Welt. Vespas werden zu Stars in unzähligen Filmen wie «Roman Holiday» (1953), mit Audrey Hepburn und Gregory Peck, «La Dolce Vita» (1960) mit Anita Ekberg und «America» mit Anthony Quinn. John Wayne, Gary Cooper und Henry Fonda sind von der Vespa ebenso begeistert wie Rock Hudson, Dean Martin, Brigitte Bardot und viele mehr. Sie alle verhelfen der Vespa zu unvergleichlicher Popularität und zum Kultstatus.

Mit den ersten 125er-Motoren engagiert sich Piaggio im Rennsport und geht auf Rekordfahrten. Im französischen Montlhéry fährt eine umgebaute und stark getunte Vespa in 10 Stunden über 1000 Kilometer und setzt insgesamt 17 Rekorde. 1951 fährt eine 125er-Vespa mit aerodynamischer Stromlinienverkleidung einen Kilometer in 21 Sekunden und erreicht dabei eine Geschwindigkeit von 171 Kilometern pro Stunde. 1980 brechen vier Vespas sogar zum Rally Paris–Dakar auf. Überraschenderweise erreichen zwei von ihnen nach rund 10000 Kilometern tatsächlich das Ziel.

Als Original erkennbar

Weit über 100 Piaggio-Werke auf allen Kontinenten produzierten bis heute rund 19 Millionen Vespas. Insgesamt gab es bisher mehr als 200 verschiedene Modelle. Und alle diese Versionen, von der ersten Vespa 98 bis hin zu den neuesten Modellen, haben als Einzigartigkeit die als tragendes Chassiselement konstruierte Stahlblechkarosserie gemeinsam. Trotz dieser Vielfalt ist es den Konstrukteuren in all den Jahren immer gelungen, jedem neuen Modell die grundlegenden Vespa-Designmerkmale mit schlanker (Wespen-)Taille und rundem Hinterteil zu implantieren. Eine Vespa war und ist zu jeder Zeit als «das Original» zu erkennen, und das, obwohl viele Mitbewerber nichts unversucht lassen, sie zu kopieren.

Im stark wachsenden Individualverkehr ist die Vespa als einfaches, praktisches, preiswertes und sparsames Alternativ-Verkehrsmittel heute so aktuell wie selten zuvor. Um vor allem in städtischen Regionen der zunehmenden Luftverschmutzung wirksam entgegenzutreten, lancierte Piaggio 2018 die Vespa Elettrica. Die erste vollständig elektrisch betriebene Vespa brummt allerdings nicht mehr, sie summt und repräsentiert damit die revolutionäre und gleichzeitig zeitgenössische Seele einer Marke, die es wie keine andere seit 75 Jahren versteht, in ihrem Segment permanent an der Spitze zu fahren und dabei ihren Werten bezüglich Stil und Technologie treu zu bleiben.

Happy Birthday, Vespa!

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